Auf der gestrigen Landespressekonferenz (LPK) hat der Senatssprecher einen Wegfall der 2G-Pflicht im Einzelhandel bekannt gegeben, Lockerungen wird es hingegen keine geben. Der Senat ignoriert damit die immer lauter werdende Kritik, unter anderem von der Kassenärztlichen Vereinigung. Der Bürgermeister hingegen hält es nicht einmal für erforderlich, selbst vor die Presse zu treten.
Wie gestern auf der LPK vom Senatssprecher Marcel Schweitzer bekannt gegeben wurde, fällt ab diesem Samstag die 2G-Regelung im Einzelhandel weg, dafür wird eine Pflicht für FFP2-Masken im Einzelhandel (bisher reichten OP-Masken) in die Corona-Eindämmungsverordnung aufgenommen.
Hamburg ist damit eines der wenig verbliebenen Bundesländer, die 2G im Einzelhandel nun auch zurücknehmen.
Nachdem zuletzt in Bayern, Niedersachsen und im Saarland Gerichte die Regelung bereits gekippt haben, haben Brandenburg und Schleswig-Holstein (ab Mittwoch), Berlin (ab 18. Februar), Bremen („in Kürze“) und Mecklenburg-Vorpommern (ab Samstag) ebenfalls eine Rücknahme der Regelung beschlossen. Hessen hat die Regelung bereits am Montag aufgeboben, Baden-Württemberg behält sie sich noch bei „angespannter Lage“ vor.
Nur noch Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wollen an ihren 2G- oder 3G-Regelungen für den Einzelhandel festhalten. In Nordrhein-Westfalen wird jedoch ab Mittwoch die Kontrollpflicht für 2G wegfallen, es soll nur noch stichprobenartig kontrolliert werden.
Lockerungen wird es in Hamburg vorerst keine geben, auch an der Sperrstunde für sämtliche gastronomischen Einrichtungen und den geschlossenen Clubs will der Senat festhalten. Und das, obwohl um uns herum gelockert wird.
Dass die Lage in den Kliniken stabil sei, hat der Senatssprecher zwar eingeräumt, aber man halte weiter an dem harten Kurs fest und wolle erst einmal abwarten, was denn die Bund-Länder-Runde in der kommenden Woche vereinbart.
Mit Einheitlichkeit hat das – wieder einmal – nichts zu tun. Mit einem einfachen HVV-Ticket kommt man zu unserem Nachbarn Schleswig-Holstein und kann dort nun auch ohne Sperrstunde gemütliche Abende verbringen, bevor man dann wieder etwa 10 Minuten mit der U-Bahn fährt, und das Gefühl hat, in einer anderen Welt anzukommen.
Das ist auch insoweit verwunderlich, als dass es immer mehr kritische Stimmen von Experten gibt. Zuletzt hat sogar die Kassenärztliche Vereinigung in einem Gespräch mit dem Abendblatt Unverständnis für die anhalten Einschränkungen geäußert:
Nachdem nun klar ist, dass das Virus weitgehend unabhängig vom Impfstatus weitergegeben wird, dass die Situation in den Krankenhäusern weit entfernt von einer gefährlichen Belastung ist und dass die Impfquote in Hamburg sehr hoch liegt, wird die Begründung für die Grundrechtseinschränkungen immer dünner.
Walter Plassmann, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung in Hamburg, zum Abendblatt
Auch aus der Politik kommen kritische Stimmen, so sagte Jennifer Jasberg, Fraktionsvorsitzende der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, dem Abendblatt: „Die 2G-Regel im Einzelhandel sollte zügig fallen, ebenso die Sperrstunde in der Gastronomie.“
Kritik kommt ebenfalls von der AfD:
Dieser Schritt ist überfällig, wenn man bedenkt, dass Niedersachsen schon länger und Schleswig-Holstein seit einigen Tagen auf 2G im Einzelhandel verzichtet. Doch ausreichend ist das nicht: Noch immer hört man nichts vom Senat zur Abschaffung der Sperrstunde und zu 2G Plus in Gastronomie, Kultur und vielen anderen Branchen. Der Senat muss hier weiter gehen und auch offiziell den Übergang in eine endemische Situation anerkennen. Unser Gesundheitssystem ist in keiner Weise durch Omikron gefährdet und daher entfällt jede Rechtfertigung für den Hamburger Knallhart-Kurs.
Krzysztof Walczak, wirtschaftspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion
Hinter vorgehaltener Hand äußern sich auch weitere Politiker kritisch, selbst aus der SPD gibt es viele Stimmen, die sich fragen, auf welcher Grundlage derzeit immer noch massive Grundrechtseingriffe aufrechterhalten werden. Namentlich äußern wollen sich hingegen die wenigsten.
HAMBURG INSIDE fragte den Senatssprecher daher gestern, ob der Senat tatsächlich davon ausgeht, dass die Hamburger nach 23 Uhr alleine nach Hause gehen, oder ob es nach Auffassung des Senats nicht viel wahrscheinlicher ist, dass die Feierlichkeiten ab 23 Uhr dann in Wohnungen fortgesetzt werden. Dort dann allerdings ohne ausreichende Lüftung, Abstandsgebot, etc.
Eine Antwort verweigerte der Senatssprecher mit der Begründung, es handle sich um eine „Fangfrage“. Das sorgte nicht nur bei dem Vorsitzenden der LPK für große Verwunderung, das Abendblatt hat die entsprechende Stelle heute sogar als Eklat bezeichnet. Der NDR ließ auf der LPK nicht locker und drängte auf eine Antwort.
Der Senatssprecher erklärte darauf hin nur kurz und knapp, private Feiern seien mit bis zu 10 Personen ja auch nach 23 Uhr erlaubt, und man könne halt nicht in die Wohnungen schauen. Ähnlich äußerte sich der Senatssprecher später auch uns gegenüber schriftlich und erklärte, die Frage auf der LPK missverstanden zu haben, wofür er um Entschuldigung bat.
Immerhin ein fairer Zug, eine Antwort auf die eigentliche Frage blieb dennoch aus.
Auf unsere Frage, ob der erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) die anhaltenden Einschränkungen nicht vielleicht mal persönlich vor der Presse erklären sollte, und Wege aus der Situation erklären möchte, fiel die Antwort recht ernüchternd aus: der Bürgermeister wäre auf vielen anderen Terminen und hätte auch nicht genug Zeit, um sich regelmäßig zu erklären.
Wir fragen uns da: was kann es denn wichtigeres geben, als „seinen“ Bürgern zu erklären, warum diese auch weiterhin auf grundgesetzlich garantierte Rechte verzichten müssen, obwohl Politik und Experten vermehrt an der Notwendigkeit zweifeln?
Auf eine schlüssige Antwort sind wir allerdings nicht gekommen.