Freitag ließ der Hamburger Senat die Bombe platzen: auch Hamburg führt eine Sperrstunde ein, obwohl diese am gleichen Tag in Berlin gerichtlich wieder gekippt wurde. Reiner Aktionismus oder sinnvoll?
Eine gewisse Raffinesse hat der Senat dann ja irgendwie doch gezeigt: die Ankündigung, dass Hamburg eine Sperrstunde einführen wird, wurde taktisch so geschickt veröffentlicht, dass die betroffenen Einrichtungen keine Chance mehr hatten, für das anstehende Wochenende eine gerichtliche Prüfung dieser Maßnahme herbeizuführen – der Senat wird schon wissen, warum er so gehandelt hat…
Dass der Senat schon lange sehr intransparent handelt und gern mit zweierlei Maß misst, dürfte mittlerweile ein Jeder aus Hamburg mitbekommen haben.
Einen Gefallen hat der Senat sich mit der sehr späten Verkündung der Sperrstunde damit also sicherlich nicht getan. In Zeiten, in denen die Grundrechte der Bürger so massiv eingeschränkt werden, wie seit dem ersten Weltkrieg nicht mehr, müsste es die oberste Priorität des Hamburg Senates sein, transparent, offen, ehrlich und nachvollziehbar zu handeln. Er tut es aber nicht, er stellt die Betroffenen vor vollendete Tatsachen, wie auch die betroffene Branche kritisiert.
Die wesentliche Frage muss aber sein, ob so eine Sperrstunde überhaupt ein geeignetes Instrument sein kann, um die Vebreitung von Corona einzuschränken. Genau das ist nämlich der Punkt, an dem der Senat rumdruckst und bis zur Pressekonferenz sogar entsprechende Auskünfte an die Presse verweigert hat – obwohl er dazu gesetzlich verpflichtet ist.
In der vergangenen Pressekonferenz wurde der Senat nicht müde, immer wieder zu betonen, dass die Gastronomie offensichtlich der „Ursprung allen Übels“ sei – quasi der Infektionsherd Nummer eins. Aber ist da auch was dran?
In der Pressekonferenz nutzten wir die Fragerunde, um endlich Antworten auf die Fragen vom Senat zu erhalten, deren Beantwortung in den Wochen vorher verweigert wurde.
So wollten wir unter anderem wissen, wie hoch denn die Anzahl der Infektionen aus der Gastronomie nun tatsächlich ist. Glaubt man den Ausführungen von der Pressekonferenz, müsste dies ja ein ganz erheblicher Anteil sein.
Die Antwort war ebenso erschreckend, wie allerdings auch erwartet: der Anteil ist verschwindend gering. Es gab zwar die -medienwirksamen – Infektionen von der Schanze und aus einem Shisha-Lokal, aber im Vergleich zu den sonstigen Infektionen, ist das nicht wirklich relevant.
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Grade einmal 24 Fälle mit dem Ursprung Gastronomie konnte der Senat benennen – weniger als die Hälfte aller Infektionen aus Schulen, etwa vergleichbar mit den Reiserückkehrern, die sich bewusst für eine Reise in ein Risikogebiet entschieden haben.
Wie der NDR mitteilt, haben sich im Vergleichszeitraum hamburgweit 89 Personen in Pflegeeinrichtungen angesteckt.
Warum wird also eine gesamte Branche erneut vor die Wand gefahren, obwohl es dafür offensichtlich nicht einmal eine entsprechende Datenlage gibt?
Auch wenn es einige schwarze Schafe gibt, hat die Gastronomie etwas geschafft, was der Senat bis heute nicht im Griff hat: die Corona-Regeln (Maske, Abstand, Hygiene) werden penibelst durchgesetzt, es werden Kontaktdaten erhoben und datenschutzkonform verwahrt (es sei denn, das Bezirksamt Mitte setzt sich über geltendes Recht hinweg), die Besucher werden immer wieder an die Einhaltung der Regeln erinnert.
Bereits in der ersten Nacht, in der die Sperrstunde galt, hat die Polizei eine „illegale Party“ ausfindig gemacht und beendet, wie die MOPO berichtet.
Wer jetzt aber allen Ernstes glaubt, dass es in einer Stadt mit 2 Millionen Einwohnern nur eine einzige illegale Party gegeben hat, der wünscht sicherlich auch noch jeden Abend dem Sandmann eine gute Nacht und wartet am nächsten Morgen auf die Zahnfee.
Menschen, die den Abend genießen wollen, feiern wollen, etwas trinken gehen wollen, werden damit nicht aufhören.
Sie werden ihre Zusammenkünfte aus einem Bereich, der sich um die Einhaltung von Regeln kümmert, Kontaktlisten führt, Toiletten und Tische desinfiziert, heraus in Parks, private Wohnungen oder in „Underground-Locations“ verlegen.
Dort werden sicherlich keine Kontaktliste geführt, es gibt niemanden, der immer und immer wieder an die Einhaltung der Regeln erinnert. Wenn sich dort jemand ansteckt, oder andere ansteckt, wird dies nicht bei offiziellen Stellen ankommen.
Auch der Branchenverband DEHOGA sieht keinen Nutzen in einer Sperrstunde, wohl aber viele Existenzen bedroht: „Die Maßnahmen sind existenzgefährdend„.
Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass es keinerlei Zahlen gibt, die eine solche Maßnahme rechtfertigen. Wo der Senat hier also eine Verhältnismäßigkeit zwischen dem Nutzen dieser Maßnahme und den deutlich erkennbaren negativen Folgen sehen will, wird auch weiter sein Geheimnis bleiben.
Im Gegenteil, die Zahlen, die es gibt, belegen, dass die Infektionen aus der Gastronomie in dem Beobachtungszeitraum einen Anteil von lächerlichen 3,42 % ausmachen.
Einem rational denken Menschen ist eine Sperrstunde somit nicht vermittelbar. Kein Wunder also, dass die ersten Klagen hiergegen schon eingericht wurden.