Klartext: Die Polizei – dein Freund und Malerservice – auf Steuerzahlerkosten

Screenshot Twitter
Screenshot Twitter der Roten Flora

Altona – Es wird nicht still um #pimmelgate, derzeit liefern sich die Rote Flora und die Polizei einen Malerwettbewerb. Man könnte fast drüber schmunzeln, würde die Polizei diesen Wettbewerb nicht auf Kosten des Steuerzahlers austragen.

Voraussichtliche Lesedauer: 5 Minuten

Die Vorgeschichte ist mittlerweile weltweit bekannt, der Innensenator Andy Grote (SPD) hat während des Lockdowns selber zu einer illegalen Party eingeladen, sein Fehlverhalten erst in bockiger Kleinkindmanier nicht einsehen wollen, dann allerdings ein Bußgeld zahlen müssen und sich anschließend dem öffentlichen Druck gebeugt und sich entschuldigt.

Politische Konsequenzen musste er nicht befürchten, das hat sein Parteifreund, der erste Bürgermeister Peter Tschentscher, geregelt: es gab eine „ernste Ermahnung“, das wars.

Vor kurzem soll er dann in einem Theater erneut seine eigenen Regeln gebrochen haben, er bestand nach 23 Uhr auf Bewirtung, was zu diesem Zeitpunkt verboten gewesen ist.

Er bestreitet über die Pressestelle der Innenbehörde zwar die Vorwürfe, allerdings existiert ein Video, das sein Fehlverhalten belegt. Dass er es mit Aufrichtigkeit nicht so ernst nimmt, weiß man ja schon von seiner ersten Party.

Doppelmoral – leider aufgeflogen

Kurze Zeit später verurteilte er dann andere für das, was er selbst verbockt hat: Partys während der Pandemie seien unverantwortlich urteilte er bei Twitter. Das kam nicht gut an, ein Twitter-User kommentierte „Du bist so 1 Pimmel“, was letztendlich sogar zu einer frühmorgendlichen Hausdurchsuchung führte – in der falschen Wohnung.

Die Hausdurchsuchung wurde weltweit kritisiert, sie sei unverhältnismäßig. Die Staatsanwaltschaft, die im Gegensatz zur Polizei auf die Hausdurchsuchung bestand, sieht bis heute kein Fehlverhalten. Das Vorgehen sei „üblich“ und „angemessen“, neben der gegenständlichen Hausdurchsuchung sei eine „mittlere zweistellige“ Zahl an ähnlichen Durchsuchungen erfolgt. Ein „Wording“, dem sich der Senat vorbehaltlos anschloss.

Wie eine schriftliche Anfrage der Fraktion DIE LINKE zutage förderte, war das gelogen, zum Zeitpunkt der Auskunft wurden lediglich 6 weitere Hausdurchsuchungen wegen ähnlicher Delikte durchgeführt.

Was man von einem Senat und einer Staatsanwaltschaft halten soll, die kein Problem damit hat, die Öffentlichkeit und die Presse zu belügen, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Runde 2: Plakatierungen an der Roten Flora

In der Stadt tauchen seit einigen Wochen neongelbe Aufkleber auf, die den gleichen Spruch wiedergeben: „Andy, Du bist so 1 Pimmel“. Die Polizei entfernte die Aufkleber, teilweise sogar von Privateigentum, auf dem sie dazu gar nicht befugt gewesen ist.

Als „Beweisstücke“ seien die Aufkleber abgekratzt worden, man ermittelt gegen unbekannt wegen Beleidigung – von Amts wegen, der Chef (Grote ist als Innensenator Dienstherr der Polizei) hat nach seinem ersten Fauxpas noch keinen Strafantrag gestellt.

Die Aktivisten der Roten Flora widmeten dem Innensenator dann sogar ein eigenes Wandplakat, das zeigte neben einem roten Vorhang den Sticker in (sehr) groß.

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Kurze Zeit später rückte die Polizei an, neben den eigentlichen Malern rückte sogar die Bereitschaftspolizei an, um das Übermalen abzusichern. Nicht sehr fachmännisch, aber effektiv, wurde der Spruch von der Polizei – früh morgens noch im Schutz der Dunkelheit – mit schwarzer Farbe übermalt. In einem kurzen Video sind über 12 Beamte zu sehen, vermutlich sitzen weitere Beamte in dem Mannschaftswagen bereit.

Die Kosten, die hierbei für das Katz- und Maus-Spiel anfallen, um einen Spruch auf Kindergartenniveau zu beseitigen, will die Polizei nicht genau beziffern: würde man uns verraten, wie viele Beamte tatsächlich dort eingesetzt werden, würde das die Polizeitaktik gefährden, teilt die Pressestelle der Polizei mit. So einfach kann man also den Sicherheitsapparat in die Knie zwingen, verrückt.

Auch die weiteren Kosten, die anfallen, kennt man bei der Polizei angeblich nicht. Ein paar Eimer Farbe, entsprechendes Malermaterial, Maleranzüge, etc… Zahlt ja auch alles der Steuerzahler, muss man ja gar nicht so genau wissen.

Sachbeschädigung oder nicht, das ist hier die Frage

Ganz nüchtern betrachtet, begeht die Polizei mit dieser Malerei eine Sachbeschädigung. Die Plakatwand steht nicht im Eigentum der Stadt, die Polizei hat dort originär also nichts dran rumzufummeln. Dass sie es trotzdem tut, begründet die Pressestelle der Polizei wie folgt: „Dieses Übermalen geschah auf Grundlage des Polizeirechts und diente der Beseitigung einer Störung der öffentlichen Ordnung, jeweils nach Entscheidung durch die Polizei.“

Heißt: die Polizei urteilt selbst, und vollstreckt ihre Beurteilung dann auch gleich – wie praktisch. War da nicht mal was mit Gewaltenteilung…? Schwamm drüber, muss man ja als Träger des staatlichen Gewaltenmonopols nicht so ernst nehmen, ist ja auch nur lästig, wenn andere das eigene Handeln erst gestatten müssen.

Wer genau denn da sowas beurteilt, und ob es so etwas wie einen objektiven Kriterienkatalog gibt, oder ein einzelner Polizist rein subjektiv nach Gutdünken eine Entscheidung fällt, wollte uns die Pressestelle auch auf Nachfrage bis zur Veröffentlichung dieses Artikels nicht beantworten.

Das Ganze haben Aktivisten und Polizisten jetzt übrigens schon zwei Mal gespielt, die Ping-Pong-Dynamik wird also weitergehen; zumindest hat die Rote Flora angekündigt, noch genügend Farbe zur Verfügung zu haben, nachdem die Polizei heute Morgen erneut als Malerservice in Erscheinung getreten ist.

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Die Polizei wollte unsere Nachfrage, ob jeder neue Anstrich der Roten Flora automatisch wieder einen kostenintensiven Polizeieinsatz im Dunkeln nach sich zieht, bis zur Veröffentlichung dieses Artikels ebenfalls nicht beantworten.

Das Schweigen des Andy Grote

Manchmal ist es klüger, nichts zu sagen – diese Lektion scheint Grote, wenn auch reichlich spät, mittlerweile gelernt zu haben. Auf seinem Twitter-Kanal herrscht seit dem 30. September Sendepause.

Natürlich würde es von charakterlicher Größe zeugen, einfach mal zuzugeben, sich von Emotionen geleitet haben zu lassen und dabei eventuell ein wenig übers Ziel hinausgeschossen zu sein. Und vielleicht auch mal zu erklären, wie es zu den falschen Zahlen gekommen ist, die die Staatsanwaltschaft und der Senat zu angeblichen Hausdurchsuchungen verbreitet haben.

Darauf wird man unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens Grotes aber vermutlich umsonst hoffen. Vermutlich setzt Grote eher darauf, dass sein Parteifreund Tschentscher auch dieses Mal seine schützende Hand über ihn hält.

Mein persönliches Fazit: Grote ist als Innensenator nicht länger tragbar. Er instrumentalisiert die Polizei, dessen oberster Dienstherrr er ist, die Staatsanwaltschaft führt zumindest fragwürdige Hausdurchsuchungen durch, und der Bürgermeister schweigt zu alledem. Ein Kleinkrieg wegen persönlicher Empfindlichkeiten wird auf Steuerzahlerkosten ausgetragen, eigene Fehler erst dann eingestanden, wenn es gar nicht mehr anders geht.


Meinungsartikel geben die persönliche Einstellung des Autoren, bzw. der Autorin, wieder und müssen sich nicht zwangsläufig mit der Meinung von HAMBURG INSIDE decken.

Christopher Siebert

Politik, Gesundheit, Events, ÖPNV

Christopher hat HAMBURG INSIDE im März 2020 ins Leben gerufen und schreibt auch heute noch viele Artikel für HAMBURG INSIDE. Unbequeme Fragen im politischen Bereich zeichnen ihn auf den Landespressekonferenzen aus 😉