Werden die Intensivbetten-Statistiken verfälscht, um Angst aufrecht zu erhalten?
Neben dem von der Politik frei gewählten Inzidenzwert von 50, für den es übrigens bis heute keine wissenschaftliche Basis gibt, wird immer wieder die Auslastung der Intensivbetten als wichtiges Kriterium benannt. Das ist auch richtig, denn schließlich zielen sämtliche Maßnahmen der Regierung darauf ab, das Gesundheitssystem stabil und leistungsfähig zu halten.
Mittlerweile stellen neben dem Hamburger Bürgermeister auch Bürgermeister anderer Städte den „gewürfelten“ Wert von 50 infrage – man sei trotz höherer Inzidenz problemlos in der Lage, Kontakte nachzuverfolgen.
Überlastung des Gesundheitssystems war nie zu befürchten
Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Zu keinem Zeitpunkt gab es die Gefahr, dass die Kapazitäten in den Krankenhäusern, insbesondere bei den Intensivbetten auch mit Beatmungsmöglichkeiten, nicht ausreichen könnten.
Hierbei wird immer die gesamte Bundesrepublik betrachtet. Das heißt, auch wenn es lokal durchaus zu Engpässen kommen kann, ist dadurch das „nationale Gesundheitssystem“ noch lange nicht an einem kritischen Punkt angekommen.
So erklärt Dr. Schleiter in seiner Beschwerde:
„Bei der Interpretation der Fallzahlen ist zu berücksichtigen, dass im Gegensatz zum Frühjahr etwa dreimal bis viermal so viele Tests durchgeführt werden (gegenwärtig etwa 1 – 1,5 Millionen Tests pro Woche), was naturgemäß zu einem Ansteigen der absoluten gemessenen Fallzahlen führt.
Die Positivquote hingegen ist deutlich niedriger als im Frühjahr 2020. Zu keiner Zeit der Hochphase der Pandemie ist Deutschland auch nur annäherungsweise an die Grenzen seiner Kapazität gestoßen, wobei klarzustellen ist, dass die Kapazitäten, welche bereits vor Ausbrechen der Pandemie vorhanden waren, bei Weitem ausgereicht haben.
Auch ist nicht ersichtlich, dass das Krankenhauspersonal nicht ausreichen könnte. Vielmehr haben diverse Kliniken ihre Mitarbeiter im Laufe des vergangenen Jahres in Kurzarbeit geschickt. Bei nüchterner und besonnener Betrachtung der tatsächlichen Zahlen ist die nunmehr seit November 2020 wieder einsetzende Hysterie nicht zu erklären.“
Dieser Kritik können wir uns inhaltlich anschließen, einen entsprechenden Bericht zur Interpretation der Fallzahlen haben wir bereits vor einigen Wochen veröffentlicht.
In seiner Beschwerde führt Dr. Schleiter die zum damaligen Zeitpunkt aktuellen Intensivbettenzahlen aus. Wir haben diese bis zum 5. Februar 2021 aktualisiert und wie folgt ausgewertet:
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Diese Daten interpretiert Dr. Schleiter in seiner Beschwerde entsprechend:
„So waren mitten im „Sommerloch“ des 14. August 2020 auch schon 21.916 Intensiv-Betten belegt. Etwa vier Monate später, zum 12. Dezember 2020 sind 22.156 Intensivbetten belegt, was einem Anstieg von lediglich 1,1 % (sic!) entspricht.
[…]
Besonders auffällig – fast schon rätselhaft – ist, dass trotz des ausgewiesenen erheblichen Anstieges von Covid-19-Fällen seit November 2020 die Anzahl der belegten Betten nur unwesentlich steigt, bei weitem nicht in dem Ausmaß, wie die Covid-19-Fälle zunehmen. Es ist fernliegend, dass Menschen, die auf Intensivstationen liegen müssen, plötzlich in einem derartigen Umfang […] nicht mehr intensivpflichtig sein würden. […] Es steht aber zu vermuten, dass die Patienten, die bislang auf Intensivstationen gelegen haben, nunmehr (gegebenenfalls zusätzlich) einen positiven Test erhalten haben oder – mitunter auch nur zu Abrechnungszwecken – als Covid-19-Verdachtsfall geführt werden. Hierzu gibt es bereits Erklärungsversuche. In jedem Fall droht keine Überlastung des Gesundheitssystems und der Intensivstationen in Gänze mit der Folge, dass in größerem Umfang die Triage angewendet werden müsste, was die nachfolgende Tabelle und die Grafiken zeigen.“
Abrechnung als Corona-Verdachtsfall für Krankenhäuser lukrativ
Tatsächlich ist die Auslastung der Intensivbetten in Deutschland nicht merklich gestiegen, obwohl aber die Anzahl der Corona-Patienten seit November 2020 rasant ansteigt.
Die Initiative Qualitätsmedizin (IQM) ist diesem Phänomen auf den Grund gegangen und stellt unter anderem fest, dass etwa 3/4 aller Corona-Patienten lediglich Corona-Verdachtsfälle sind.
Als Verdachtsfälle gelten Patienten, die zwar einen negativen PCR-Test haben, aber von der Symptomatik her an Corona erkrankt sein könnten.
Und eben diese Verdachtsfälle können ab dem 1. Oktober 2020 bei den Krankenkassen mit einer zusätzlichen Pauschale abgerechnet werden, und so ziemlich genau einen Monat später explodieren die Corona-Fallzahlen auf den Intensivstationen. Sicherlich kann man es den Krankenhäusern nicht verübeln, dass sie das abrechnen, was zulässig ist, aber man sollte dies in die Bewertung mit einfließen lassen.
Kritik
Es ist naheliegend, bei der massiven Kritik „Corona-Leugner“ oder „Verschwörungstheoretiker“ zu rufen. So einfach ist es aber nicht.
Immerhin hat sich hier ein – ausgewiesener – Fachmann mit der Thematik auseinandergesetzt, und kein freidrehender Vegankoch oder ein Schlagersänger, der nicht verstanden hat, dass das Grundgesetz unsere Verfassung ist, und es sich dabei nicht um zwei unterschiedliche Texte handelt.
Natürlich suchen Vertreter aus den entsprechenden Lagern der Querdenker, Corona-Leugner und anderer Gruppen nun die Nähe zu dem Berliner Richter. Schließlich sehen sie sich endlich in ihren Ansichten bestätigt. Auch einige Medien springen auf diesen Zug auf und kritisieren den Richter.
Interessanter Weise ist uns bis zur Veröffentlichung dieses Artikels aber noch keine Kritik bekannt geworden, die sich inhaltlich mit der Beschwerde beschäftigt. Die meiste Kritik lautet in etwa mehr oder minder gleich: „wie kann man in der aktuellen Lage bloß Corona verharmlosen“. Hätte man sich inhaltlich mit der Beschwerde beschäftigt, wäre sofort aufgefallen, dass dies nicht mal ansatzweise den Kern der Beschwerde trifft.
Nichts weniger als die Verletzung unseres Grundgesetzes wird in der Beschwerde moniert: eine Regierung, die Gutachten ihres eigenen wissenschaftlichen Dienstes ignoriert; eine Regierung, die mitten in der Pandemie das Gesundheitssystem weiter schwächt, obwohl es gerade dieses mit den massiven Grundrechtsbeschränkungen aufrechterhalten will. Absurder geht es nicht mehr.
Damit muss sich befasst werden. Wenn nur die Hälfte der Vorwürfe rechtlich haltbar ist, wäre das schon ein starkes Stück.