Keine Sonderrechte für Geimpfte, sondern Grundrechte

Impfung
Impfung (Symbolbild) - Bildnachweis: Wilfried Pohnke / Pixabay

Sollen Geimpfte Sonderrechte erhalten? Die Regierung ist strikt dagegen und plant sogar ein entsprechendes Gesetz, das Sonderrechte verbieten soll. Wir vergessen dabei aber das Wesentliche: es geht nicht um Sonderrechte für Geimpfte, sondern um Grundrechte.

Glaubt man unserem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), wird es weder eine Impfpflicht geben, noch Sonderrechte für Geimpfte. Beides lehnt er vehement und wiederholt ab. Markus Söder (CSU) sieht das zwar teilweise anders und will wieder einen bayerischen Sonderweg gehen, aber der Kurs der Regierung ist eindeutig.

Die Argumente scheinen auf den ersten Blick nachvollziehbar: solange es nicht genug Impfstoff gibt, um wirklich alle Personen impfen zu können, darf man natürlich die, die sich impfen lassen wollen, aber für die kein Impfstoff vorhanden ist, nicht benachteiligen.

Solidarität sei daher das Gebot der Stunde. Immerhin: die Bevölkerung kann nichts für das absolut katastrophale Missmanagement unserer Regierung in Sachen Impfung. Mit welchem Recht sollte man also diejenigen, die eine Impfung erhalten haben, privilegieren?

Einen Haken hat die Sache allerdings, auch wenn sie so schön logisch klingt: der Blickwinkel ist absolut falsch.

Wir müssen uns klar machen, dass die Situation, in der wir momentan leben, nicht „normal“ ist, sondern die massivste Einschränkung unserer eigentlich unantastbaren Grundrechte darstellt, seit es die Bundesrepublik Deutschland gibt. Weitreichendere Einschnitte in unsere Freiheits-, Bewegungs- und Berufswahlrechte hat es noch nie gegeben.

Davon ausgehend, dass eine Impfung dafür sorgt, dass geimpfte Personen andere nicht mehr anstecken können, ist es rechtlich nicht vertretbar, diese Personen in ihren Grundrechten weiter zu beschränken. Das liegt in der Natur der Sache. Grundrechte sind eben genau das, was der Name schon aussagt: absolute Rechte eines jeden, deren Einschränkung (eigentlich) tabu ist.

Natürlich gibt es Ausnahmen, aber wenige, und die müssen auch eine rechtliche Grundlage haben. Das bekannteste Beispiel: Haftstrafe. Natürlich hat ein Häftling Einbußen in seinen Grundrechten hinzunehmen, allerdings gibt es dafür auch entsprechende rechtliche Regelungen.

Die derzeitigen Grundrechteeinschränkungen, von Bundesland zu Bundesland in unterschiedlich starker Ausprägung, finden ihre Regelung im Infektionsschutzgesetz: sie dienen dazu, die Verbreitung von Corona einzuschränken, im besten Fall zu unterbrechen.

Man mag jetzt über die Sinnhaftigkeit diverser Maßnahmen streiten, Fakt ist aber nun mal, dass es zumindest eine rechtliche Grundlage gibt.

Fällt aber die Gefahr weg, dass eine geimpfte Person andere Personen anstecken kann, fällt auf einen Schlag auch sofort die rechtliche Grundlage weg, die Grundrechte eben dieser Person weiter einzuschränken. Selbstverständlich muss diese Person dann also unverzüglich ihre Grundrechte auch wieder uneingeschränkt ausüben können.

Es ist schlicht und ergreifend falsch, von Privilegien oder Sonderrechten für Geimpfte zu sprechen. Ihnen wird ja nicht etwas gestattet, was anderen prinzipiell nicht zusteht – denn die Grundrechte stehen prinzipiell jedem zu.

Sie würden nur quasi wieder bei der „Null-Linie“ ihrer Grundrechte ankommen. Sicherlich ist es ärgerlich, wenn man sieht, dass eine Personengruppe, zu der man nicht gehört, beispielsweise wieder ein Restaurant besuchen kann. Aber da müssen wir dann durch, mit welchem Recht wollen wir denn Personen in ihrer Freiheit einschränken, wenn sie keine Gefahr mehr für andere darstellen?

Eine Einschätzung, die im Übrigen auch der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, teilt. In einem Gespräch mit der BILD stellte er fest:

Sobald gesichert ist, dass von Geimpften keine Ansteckungsgefahr mehr ausgeht, gibt es verfassungsrechtlich keine Legitimation mehr, die Betroffenen in ihren Grundrechten weiter zu beschränken.

Hans-Jürgen Papier

Das Redaktionsnetzwerk Deutschland ergänzt, dass diese Diskussion momentan ohnehin theoretischer Natur sei, da noch nicht geklärt ist, ob Geimpfte auch weiterhin ansteckend sind, oder nicht.

Das RKI hält das zwar für möglich, oder zumindest nicht ausgeschlossen, aber der Impfstoffhersteller Biontech gibt selber an, dass man frühestens im Februar mit entsprechenden Erkenntnissen rechnen kann.

Einen spannenden Podcast zu dem Thema gibt es bei der FAZ, n-tv diskutiert die Rückkehr zu den Grundrechten sogar als möglichen Impf-Anreiz.