7.233 Infektionen im Mai, 43.308 Infektionen im Oktober – das klingt dramatisch und nach dem Anstieg, der momentan in aller Munde ist. Aber wie sind diese Zahlen zu interpretieren? Und wieso gibt es eigentlich keinen wirklichen Anstieg der Infektionen, obwohl Politik und viele Medien das Gegenteil berichten? Sind das etwa Verschwörungstheorien? Dieser Artikel ordnet die Zahlen entsprechend ein und hilft dabei, die Zahlen zu verstehen.
Zahlen, die Angst machen: ein rasanter Anstieg der festgestellten Infektionen in den letzten Wochen. Täglich kommen Experten zusammen und beraten über neue Maßnahmen, über verschärfte Verordnungen.
Dauerhafte Sonderbefugnisse für den Gesundheitsminister
Jens Spahn (CDU) möchte seine Sonderbefugnisse, die es ihm erlauben, ohne parlamentarische Beteiligung Verordnungen zu erlassen, weiter ausweiten – eigentlich laufen diese Ende März 2021 aus. Im Bundestag regt sich mittlerweile Widerstand, auch aus der eigenen Partei Spahns werden kritische Stimmen laut, wie der SPIEGEL zu berichten weiß.
In Hamburg tritt der Senat mittlerweile mindestens wöchentlich zusammen, um über weitere Grundrechtseinschränkungen zu beraten. Argumentiert werden die massiven Eingriffe in unser Grundgesetz immer wieder mit den steigenden Fallzahlen. Statistiken hierzu gibt es ja schließlich genug, das RKI veröffentlicht, ebenso wie der Hamburger Senat, täglich die aktuellen Zahlen.
Positive Ergebnisse steigen rasant an
Zugegeben, wenn man die absoluten Zahlen sieht, also die Anzahl der Infektionen pro Woche, kann einem schon Angst und Bange werden:
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Datawrapper zu laden.
Eine stark steigende Kurve, die sogar die Kurve aus der „ersten Welle“ schon jetzt überstiegen hat. Das sitzt natürlich erst einmal.
Zahlen in Relation zueinander setzen
Welche Zahlen liegen diesem Ergebnis aber zugrunde? Besonders interessant ist hier die Frage, wie sich das Verhältnis aus den durchgeführten Tests und den positiven Ergebnissen zusammensetzt?
Die Antwort auf diese Fragestellung überrascht: es gibt eigentlich diesen starken Anstieg, der überall diskutiert wird, laut Zahlenmaterial nicht. Natürlich werden bei mehr Tests auch mehr positive Ergebnisse festgestellt. Aussagekräftig ist daher eigentlich immer nur das Verhältnis aus diesen beiden Zahlen. Wenn man diese Zahlen in Relation zueinander setzt, sorgt das Ergebnis für eine Überraschung:
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Datawrapper zu laden.
Noch extremer wird dieses Verhältnis, wenn man es in prozentualen Werten vergleicht:
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Datawrapper zu laden.
Infektionen relativ betrachtet sogar niedriger als zu Beginn der Pandemie
Tatsächlich befinden wir uns momentan also bei einem Wert von Positivtestungen, der noch weit unter den Werten aus der „ersten Welle“ liegt. Zwar ist die Tendenz – momentan – steigend, nichtsdestotrotz haben wir noch lange nicht den Hochstand der Infektionen zu Beginn der Pandemie erreicht.
Das absolut Erstaunliche ist, dass die Datenlage bei all den vorstehenden Diagrammen, die gleiche ist: es sind immer exakt die gleichen Werte, die je nach Auswertung einmal absolut dargestellt werden, oder aber im Verhältnis zueinander.
Die Politik orientiert sich jedoch ausschließlich an den absoluten Zahlen – und ignoriert dabei, dass bei einer (stark) steigenden Zahl der Tests natürlich auch die positiven Ergebnisse steigen. Jetzt könnte man über diese verschiedene Sichtweise auf die Zahlen hinwegsehen, wenn die Politik diese Zahlen nicht nutzen würde, um damit weitgreifende Einschnitte in unser aller Leben zu begründen.
Verschwörungstheorien vs. Fakten
Verschärft wird diese Sichtweise naturgemäß durch die „Verschwörungstheoretiker“ und Corona-Leugner, die die Existenz von Corona kategorisch in Frage stellen. Schnell wird man, wenn man sich kritisch mit der aktuellen Lage auseinandersetzt, in eine bestimmte Ecke gedrängt, in der es dann auch garnicht mehr um Argumente geht, sondern eher um „Glaubensfragen“.
Wer jedoch anhand der Zahlen argumentiert, diese in Relation zueinandersetzt und dann hinterfragt, ob die Einschnitte in unser Leben gerechtfertigt sind, stößt in der Politik häufig auf taube Ohren. Immerhin würde die Politik, wenn sie auf die Argumentation eingehen würde, eingestehen müssen, dass sie eine sehr einseitige Sichtweise auf die Zahlen hat.
Stattdessen wird oft mit den üblichen Phrasen geantwortet: „das Infektionsgeschehen ist extrem dynamisch“, „wir befinden uns mitten in der Pandemie“, „die Zahlen steigen so stark wie nie“. Auf die Kritik, auch vieler Virologen, die anderer Meinung sind als der Meinung der Politik, wird in der Regel nicht eingegangen – obwohl diese Experten oft genug Zweifel an den Maßnahmen der Politik äußern.
Statistik klingt öde, Mathe wird zu Schulzeiten das Lieblingsfach der Wenigsten gewesen sein: trotzdem wird klar, dass man Zahlen immer auf verschiedene Art und Weise interpretieren kann, bzw. auch sollte.
Besonders dieser Artikel zeigt deutlich, dass die gleichen Daten, je nach Auswertung, ganz verschiedene Ergebnisse liefern können. Im heutigen Zeitalter sind wir in der priviligierten Lage, uns selber immer ein eigenes Bild machen zu können.
Wir müssen diese Chance allerdings auch nutzen.
Gefällt Ihnen dieser Artikel? Dann abonnieren Sie uns doch bei Facebook, folgen uns bei Twitter oder Instagram, oder teilen Sie diesen Artikel mit Ihren Bekannten und Freunden.