Vergangenen Dienstag hat der Senat bekannt gegeben, dass in Hamburg ab Freitag unter freiem Himmel wieder getanzt werden darf. Eine erste Erleichterung zumindest für die Clubbetreiber, die über entsprechende Flächen verfügen. Donnerstag kam das böse Erwachen: es gibt erhebliche Einschränkungen, die eine Umsetzung faktisch unmöglich machen.
In vielen Ländern um uns herum ist das Feiern sogar in Clubs schon wieder möglich. In Hamburg musste man bis zum letzten Wochenende hingegen mit einem Bußgeld rechnen, wenn man im Freien tanzte. Als wenn das nicht schon absurd genug gewesen wäre, hält der Senat weiter entgegen wissenschaftlichen Erkenntnissen an seiner Sperrstunde für die Innengastronomie fest.
Auch im Bereich Sternschanze und Reeperbahn darf nach 23 Uhr weiterhin kein Alkohol ausgeschenkt werden. Grund dafür, wie für alle Maßnahmen: eine Überlastung des Gesundheitssystems soll vermieden werden. Warum das Gesundheitssystem überlastet wird, wenn im Bereich Reeperbahn oder Sternschanze auf einer geschlossenen Veranstaltung nach 23 Uhr Alkohol ausgeschenkt wird, beim Alkoholausschank nach 23 Uhr auf einer geschlossenen Veranstaltung im Bereich Bergedorf oder Harburg allerdings nicht, das konnten weder der Senat, noch die Innenbehörde, auf eine entsprechende Nachfrage erklären.
Das ganze gilt bei einer einstelligen Inzidenz und lediglich nur noch 11 Hamburgern, die wegen oder mit Corona intensivmedizinisch behandelt werden (Stand 1. Juli). Auch, dass monatelang auf eine Inzidenz von 35 hin gearbeitet wurde, um die Grundrechtseinschränkungen zu beenden, ignoriert der Senat um den ersten Bürgermeister Dr. Tschentscher (SPD) konsequent – war da was?
Einige Clubbetreiber, aber auch Branchenverbände, haben daher entsprechende Klagen in Erwägung gezogen. Das scheint sich auch beim Senat herumgesprochen zu haben, vergangenen Dienstag auf der Landespressekonferenz gab der Senat überraschend bekannt, dass ab dem heutigen Freitag auch in Hamburg – zumindest unter freiem Himmel – wieder getanzt werden darf. Zwar nur im sehr kleinen Rahmen, maximal 250 Personen, aber ein erster Hoffnungsschimmer. Zumindest für die Betreiber, die über entsprechende Flächen verfügen. Die meisten Clubs gucken also weiterhin in die Röhre.
Die anfängliche Freude über die – zumindest kleine – Möglichkeit, wieder entsprechende Events anbieten zu können, verflog jedoch schnell. Als die neue Corona-Verordnung Donnerstag bekannt gegeben wurde, gab es eine böse Überraschung: die Bereiche Sternschanze und Reeperbahn bleiben von dieser Möglichkeit faktisch ausgeschlossen
Dort hält der Senat auch weiterhin stur an seinem Alkoholverbot ab 23 Uhr fest – auch, für eigentlich zulässige Open-Air-Events. Was das noch mit Infektionsschutz zu tun haben soll, weiß niemand. Nicht mal der Senat selber, den wir auch hierzu – vergeblich – um eine Erklärung gebeten haben.
Weiterhin sieht die Corona-Verordnung vor, dass Getränke ausschließlich an Tischen zu sich genommen werden dürfen. In welchem Paralleluniversum finden denn so neuerdings Partys statt? Von den Gefahren mal ganz abgesehen: wer lässt denn mit gutem Gefühl seine Gläser unbewacht auf einem Tisch stehen, den er beim Tanzen eventuell nicht einmal im Blick behalten kann? Und wie groß sollen diese Flächen denn sein, wenn der Senat nun auch noch das zusätzliche Aufstellen von Tischen verlangt, um dort etwas trinken zu können?
Wie so eine „Party“ dann aussieht, hat der NDR im Hamburg Journal gezeigt, bei Hamburgs – vermutlich – erster und einziger Open-Air-Party an diesem Wochenende im SCHRØDINGERS:
Die Wenigen, die unter diesen Konditionen tanzen wollten, fanden sich in kleinen abgetrennten Bereichen wieder, die auch in einem Abstand von mindestens zweieinhalb Metern von der Bühne stehen müssen – auch hierfür gibt es eine entsprechende Vorschrift in der Corona-Verordnung, auch, wenn man so etwas abstruses irgendwie kaum glauben mag. Ein wenig erinnert diese Form an Legebatterien in einem Hühnerstall.
Fast schon klar ist, dass der Senat diese Einschränkungen auf der Landespressekonferenz natürlich ganz elegant verschwiegen hat. Dort lobte man sich für den „mutigen“ Öffnungsschritt lieber selber und erklärte, dass man jungen Menschen wieder Möglichkeiten bieten möchte, Feiern zu gehen.
Wo genau das denn stattfinden könnte, wollten weder der Bürgermeister, noch der Innensenator beantworten. Der Innensenator erklärte immerhin, ihm „würden alleine auf St. Pauli schon ein paar einfallen„. Das klang so interessant, dass wir den Senat gebeten haben, diese Orte einfach zu benennen.
Man ahnt es schon, dem Innensenator fielen dann doch keine geeigneten Orte ein. Sein Sprecher versuchte zu retten, was nicht mehr zu retten gewesen ist: er wollte die Aussage dann so verstanden wissen, dass das eigentlich nur eine Aufforderung an die Clubbetreiber gewesen sein soll, sich doch mal entsprechende Gedanken zu machen.
Warum er das dann nicht so gesagt hat, konnte sein Sprecher sich auch nicht so wirklich erklären. Eigentlich müsste der Innensenator aber tatsächlich ein paar Orte kennen, immerhin hat er doch während des ersten Corona-Lockdowns selbst eine illegale Party veranstaltet, für die er dann auch ein Bußgeld bezahlen musste.
Dass es allerdings diese weltfremden Einschränkungen gibt, die die Durchführung solcher Veranstaltungen faktisch unmöglich machen, das hielt man offensichtlich auf der Landespressekonferenz nicht für erwähnenswert. In Sachen Transparenz hat der Senat während der gesamten Pandemie allerdings generell nicht besonders geglänzt.
So stellt auch der NDR in seinem Beitrag fest, dass die Durchführung von Events unter diesen Voraussetzungen unwirtschaftlich ist – die Veranstalter zahlen drauf.
Solange der Senat nicht von seiner offensichtlichen Zero-Covid-Strategie abrückt, wird es in naher Zukunft vermutlich, wenn überhaupt, nur sehr wenige Open-Air-Events in Hamburg geben.