Nachdem sich vermeintliche Lockerungen des Senats im Bereich von Open-Air-Events als Nullnummer herausgestellt haben, werden kritische Stimmen aus der Branche immer lauter. Ob der Senat einlenkt, ist nach seinem bisherigen Kurs fraglich. Vermutlich wird wieder einmal erst das Verwaltungsgericht eingeschaltet werden müssen.
Vorletzte Woche hat der Senat auf der Landespressekonferenz (LPK) bekannt gegeben, dass in Hamburg wieder Open-Air-Events stattfinden sollen; in benachbarten Bundesländern ist das schon seit vielen Wochen möglich, in vielen Bundesländern haben auch Clubs schon wieder geöffnet.
Bei genauerer Betrachtung hat sich jedoch schnell herausgestellt, dass der Senat so lebensfremde Regeln erlassen hat, dass eine Durchführung von Events praktisch unmöglich ist. Es mag Zufall sein, aber in der letzten Wochen wurde die LPK kommentarlos abgesagt. In der Eventbranche wird gemutmaßt, dass sich der Senat der Kritik nicht stellen wollte.
Die Kritiker wird das jedoch freilich nicht zum Schweigen bringen. Viele Betroffene haben noch am Tag des Bekanntwerdens der Regeln ihren Unmut in den sozialen Medien kundgetan. Auch die betroffene Branche findet deutliche Worte.
Der Branchenverband Clubkombinat Hamburg e.V. hat eine verbandsinterne Umfrage durchgeführt, die zu einem niederschmetternden Ergebnis kommt: derzeit erwägen „kaum eine handvoll Veranstalter:innen unter den gegenwärtigen Beschränkungen derartige Tanzveranstaltungen anzubieten“.
Konsequenz: es werden auch weiterhin vielen Open-Air-Events in der Illegalität stattfinden: „Die beschlossenen Regularien für Tanzlustbarkeiten sind aus unserer Sicht jedoch zu restriktiv ausgefallen (u.a. Einhaltungspflicht der Abstandsregeln, Alkoholverzehr am Steh/Sitzplatz und Hotspot-Regelung mit Sperrstunde ab 23h), um eine Wirkung bzw. ein breiteres Veranstaltungsangebot zu erzeugen“.
Ausschlaggebend sei auch, dass es in Hamburg zu wenige Flächen gibt, die eventuelle Open-Air-Events beherbergen und dabei gleichzeitig die Lärmschutzauflagen erfüllen könnten. Auch die Finanzierung entsprechender Infrastruktur müsste mit den Bezirken geprüft werden. Stromversorgung, Wasser, Abwasser, sanitäre Anlagen – all das müsste für ein Event extra mühevoll und kostenintensiv geschaffen werden.
Einzig und allein der Sport erhält in der Planung des Senates wieder eine Sonderrolle. Hier schafft die Hamburger Politik auch – weiterhin – eine Zweiklassengesellschaft für Events. Zigtausende Besucher dürfen die Stadien füllen, eng an eng sitzen, schreien, feiern, lachen – es sei ihnen gegönnt.
Warum geht das aber in Clubs nicht? Die Voraussetzungen sind identisch.
Auch weiterhin verweigert der Senat stur jede perspektivische Planung. Auch zur Frage der Sperrstunde verweigert der Senat seit Wochen Antworten auf die Fragen „warum immer noch?“ und „wie lange noch?“
Die Opposition hält sich bedeckt: auf unsere Anfrage haben die Fraktionen von Bündnis 90/DIE GRÜNEN, CDU und DIE LINKE eine Antwort verweigert. Einzig die AfD äußert Unverständnis:
Vor dem Hintergrund einstelliger Inzidenzen und einer gut vorankommenden Durchimpfung sind beschränkende Maßnahmen nicht mehr gerechtfertigt. Alles andere ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in unsere Grundfreiheiten. Jeder, der es möchte, kann sich schützen. Jemand, der ungeimpft auf eine Großveranstaltung geht, muss wissen, dass er ein gewisses Risiko trägt und sich dementsprechend verhalten.
[…]
Wir fordern seit Monaten eine rationale Rückkehr zur Normalität. Auch das Feiern in Clubs muss angesichts der niedrigen Infektionszahlen wieder schrittweise möglich gemacht werden. Der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher fährt allerdings einen übervorsichtigen Kurs, der so nicht zu rechtfertigen ist. Daher erwarten wir auch in Zukunft leider keine weiteren Öffnungsschritte für Clubs seitens des Senats.
Dirk Nockemann, Vorsitzender und innenpolitische Sprecher der AfD Hamburg
Langsam wird es für den Senat allerdings eng: im Oktober richtet Hamburg einen Weltkongress aus: den ITS Weltkongress 2021. Die Stadt lädt mehrere Zigtausend Besucher aus der ganzen Welt ein, ein Großteil des Kongresses soll in den Messehallen stattfinden, in der Halle B4 soll sogar eine eigene Bühne errichtet werden.
Die Messehallen verfügen, anders als mittlerweile viele Clubs, über keine Lüftungsanlagen mit Virenfiltern. Trotzdem ist der Senat bereits letzten Monat zu dem Schluss gekommen, dass die Durchführung eines Weltkongresses mit Zigtausend Besuchern aus aller Herren Länder in Hamburg kein Problem darstellt. Der Besuch eines Clubs hingegen schon.
Wie man das einem normal denken Menschen vermitteln soll, konnte der Senat auf Nachfrage von HAMBURG INSIDE nicht beantworten. Nur soviel sei für den Senat klar: ein Weltkongress biete ein geringeres Infektionsrisiko, als ein Clubbesuch.
Es wird vermutlich wieder mal darauf hinauslaufen, dass die Gerichte die Marschrichtung für den Senat vorgeben müssen.