Altona – Bereits am Montag ereignete sich im Jenischpark eine nicht ganz alltägliche Szene: die Polizei verfolgte mit einem Streifenwagen und zu Fuß einen Jugendlichen, der sich einer Kontrolle entzogen hat. Der Einsatz wird in der Öffentlichkeit teilweise heftig kritisiert. Was ist passiert?
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Ein Video, über das unter anderem die BILD berichtet hat, zeigt einen Ausschnitt des Geschehens: ein Streifenwagen schlingert mit Blaulicht und Sirene durch den Jenischpark, das Heck des Wagens bricht aus, so dass der Wagen nur um wenige Zentimeter zwei andere Polizisten verfehlt, die den Jugendlichen zu Fuß verfolgen.
Anschließend fährt der Streifenwagen, so sieht es auf dem Video zumindest aus, haarscharf an anderen Personen vorbei, die mit der Szene nichts zu tun haben, holpert über einige Schlaglöcher, verliert dabei sogar Fahrzeugteile und kommt dem verfolgten Jugendlichen gefährlich nahe. Man könnte fast denken, im nächsten Augenblick müsste ihn der Streifenwagen entweder überfahren, oder auf die Motorhaube aufladen. Davon passiert zum Glück nichts.
Der Jugendliche schlägt einen Haken und flüchtet in einen kleinen Wald, die Polizisten verfolgen ihn zu Fuß weiter. An dieser Stelle endet das Video, löst aber in den sozialen Medien heftige Reaktionen aus, überwiegend kritische Stimmen werden laut. Anlass für die Verfolgung soll „nur“ ein Verstoß gegen die Corona-Regeln gewesen sein, so dass man sich zwangsläufig die Frage stellen muss, ob hier seitens der Polizei angemessen, oder vielleicht übertrieben reagiert wurde.
Wir haben dazu heute mit Holger Vehren, Pressesprecher der Polizei, gesprochen und wollten mehr über die Hintergründe erfahren.
Um das Video einordnen zu können, muss man wissen, dass sich der Jenischpark mittlerweile zu einem „Party-Hotspot“ entwickelt hat, hunderte Jugendliche versammeln sich dort mittlerweile, veranstalten spontan Partys, bringen Musikanlagen mit, trinken Alkohol und hinterlassen neben viel Müll auch oft Sachbeschädigungen. Eingeschlagene Fensterschreiben von angrenzenden Gebäuden sind da leider keine Seltenheit mehr, der NDR hat entsprechend berichtet und auch das aktuelle Geschehen berücksichtigt.
Anwohner meldeten sich auch am Montag bei der Polizei und beschwerten sich über Lärm und Müll, so dass die Polizei den Jenischpark anfuhr und entsprechende Kontrollen durchführte.
Während eines solchen Einsatzes, der bis dahin mit dem im Video zu sehenden Jugendlichen nichts zu tun hatte, fiel dieser Jugendlich durch entsprechende Provokationen auf: in unmittelbarer Nähe zu den Polizisten ging er auf Freunde und Bekannte zu, begrüßte diese ohne Maske, dafür aber mit Umarmungen. Während andere Jugendliche zumindest dann die Maske aufsetzen, wenn die Polizei im Anmarsch ist, beeindruckte das diesen Jugendlichen hingegen nicht.
Die Polizei entschloss sich daher, den Jugendlichen ebenfalls zu kontrollieren. Bei solchen Kontrollen werden oft noch andere Vergehen entdeckt, beispielsweise das Mitführen von Messern oder anderen Waffen, der Besitz von Drogen oder offene Haftbefehle: erst letzte Woche hat die Bundespolizei am Hauptbahnhof gleich zwei Personen routinemäßig überprüft, gegen die offene Haftbefehle vorlagen.
Noch mitten im Gespräch nahm der Jugendliche Reißaus, in diesem Moment setzt auch das Video ein. Neben der Verfolgung zu Fuß setzte sich auch ein Polizist in den Streifenwagen und verfolgte den Jugendlichen damit.
Die Behauptung vieler Medien, einschließlich der BILD, dass der Jugendliche wegen eines Verstoßes gegen die Corona-Auflagen verfolgt wurde, stimmt bei genauerer Betrachtung so also nicht. Die Verfolgung hat der Jugendliche erst damit ausgelöst, dass er sich der Kontrolle entziehen wollte – Ursache und Wirkung…
Der Polizei ist durchaus bewusst, dass das gezeigte Fahrverhalten des Polizisten Kritik auslöst und untersucht den Vorfall auch intern. Besonders vor dem Hintergrund, dass der Streifenwagen bei dem Einsatz beschädigt wurde und Unbeteiligte beinahe „erwischt“ wurden, wird der Polizist ausführlich befragt werden.
Derzeit teilt die Polizei den Eindruck, dass diese Art der Verfolgung zumindest nach dem, was auf dem Video zu sehen ist, nicht verhältnismäßig gewesen sein dürfte – eine endgültige Bewertung kann erst nach Anhörung aller Beteiligten erfolgen, die zumindest bis heute noch nicht erfolgt ist und wohl noch ein oder zwei Wochen in Anspruch nehmen wird.
Man sollte, trotz der Fahrweise, an dieser Stelle aber auch mal eine Lanze für die Polizei brechen: immer wieder hört man, dass die Polizei sich zu viel gefallen lässt, dass die Polizei nicht hart genug durchgreift, und dass die Polizei zu wenig in Problembezirken unterwegs sei.
Es scheint daher ein sehr schmaler Grat zu sein, auf dem die Polizei sich bewegt. Entweder sie tut nicht genug, zeigt keine Präsenz, oder sie jagt Jugendliche „wegen nichts“ durch einen Park. Die Wahrheit liegt, wie so oft, auch hier in der Mitte.
Der Jugendliche wurde gefasst, es blieb nach der Kontrolle bei dem Verstoß gegen die Maskenpflicht – für die wird er demnächst einen Bußgeldbescheid in Höhe von 150 Euro erhalten. Eine Flucht vor der Polizei ist in Deutschland übrigens nicht strafbar, allerdings werden die Polizisten diesen jungen Mann künftig besonders im Auge haben.
Für das anstehende Wochenende hat die Polizei die Fortsetzung ihrer Kontrollen an den Hotspots angekündigt, um die geltenden Corona-Regeln durchzusetzen und Sachbeschädigungen vorzubeugen.