Karlsruhe – Die Bundesanwaltschaft hat am 15. Juli vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main Anklage gegen den syrischen Staatsangehörigen Alaa M. erhoben. Er soll als Arzt in Syrien mehrere Patienten gefoltert und sogar getötet haben. Auch in Deutschland praktizierte er mehrere Jahre als Arzt.
Die Anklage liest sich schauderhaft: Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Mord, schwere Körperverletzung, versuchte schwere Körperverletzung, sowie gefährliche Körperverletzung.
In vier der 18 angeklagten Fälle wird er beschuldigt, einem Menschen schwere körperliche und seelische Schäden zugefügt zu haben. In zwei Fällen soll er versucht haben, einen anderen Menschen der Fortpflanzungsfähigkeit zu berauben.
Anfang 2011 kam es im Zuge der Freiheitsbewegungen in anderen arabischen Ländern auch in Syrien vermehrt zu Protesten gegen das Regime des Präsidenten Bashar Al Assad. Dieses begann spätestens Ende April 2011, sämtliche regierungskritischen Aktivitäten flächendeckend mit brutaler Gewalt zu unterdrücken.
Das Ziel war es, die Bevölkerung einzuschüchtern und von weiteren Protesten abzubringen. Vor diesem Hintergrund wurden überall im Land unter anderem bei Demonstrationen oder anlässlich von Kontrollen an Checkpoints tatsächliche oder vermeintliche Oppositionelle festgenommen und inhaftiert.
In den Hafteinrichtungen waren die Insassen regelmäßig der Folter ausgesetzt. Der Opposition zugerechnete zivile Verletzte wurden auch in Militärkrankenhäuser gebracht, dort gefoltert und nicht selten getötet.
Alaa M. war zwischen April 2011 und Ende 2012 als Arzt in mehreren Militärkrankenhäusern tätig und misshandelte dort auch inhaftierte Zivilisten.
So soll er unter anderem im Sommer 2011 in der Notaufnahme des Militärkrankenhauses in Homs die Genitalien eines 14 oder 15 Jahre alten Jungen mit Alkohol übergossen und dann angezündet haben. Auf dieselbe Weise misshandelte der Angeschuldigte im Juli oder August 2011 einen in die Notaufnahme des Militärkrankenhauses eingelieferten Mann.
Auch Schläge in das Gesicht, den Bauch oder die Genitalien zählten zu seinen „Behandlungsmethoden“. Einem Häftling quetschte er die Genitalien, einem anderen schlug er auf einen bestehenden Knochenbruch. An einem Häftling führte der Angeschuldigte die Korrektur einer Knochenfraktur ohne ausreichende Narkose durch.
Einem Epilepsiepatienten schlug er ins Gesicht, versetzte ihm Schläge mit einem Plastikschlauch und trat ihm gegen den Kopf. Wenige Tage danach verabreichte Alaa M. dem durch den epileptischen Anfall Geschwächten eine Tablette. Dieser verstarb kurz darauf, ohne dass die Todesursache eindeutig geklärt werden konnte.
Ende Juli oder Anfang August 2012 misshandelte Alaa M. gemeinsam mit anderen Bediensteten einen Gefangenen im Militärkrankenhaus in Homs. Unter anderem hängten sie den Gefangenen mit den Händen an der Decke auf und schlugen mit einem Plastikstock auf ihn ein. Insgesamt nahm der Angeschuldigte an mindestens zehn Foltersitzungen teil. Bei einer Gelegenheit übergoss er dessen Hand mit einer brennbaren Flüssigkeit und zündete sie an.
Auch das „Auftreten“ von eitrigen Wunden wurde angeklagt, ebenso wie weitere Morde. Besonders angsteinflößend: er praktizierte nach seiner Einreise in das Bundesgebiet Mitte 2015 als Arzt. Er wurde am 19. Juni 2020 aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom selben Tage festgenommen und befindet sich seit dem 20. Juni 2020 in Untersuchungshaft.