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Mehr als dreieinhalb Jahre ist der Hamburger G20-Gipfel nun her, mehr als 300 Personen hat die Staatsanwaltschaft angeklagt. Anzahl der Polizisten unter den Angeklagten: nach wie vor null. Wie passt das zu den Bildern von prügelnden Polizeitruppen, die um die Welt gegangen sind und für Fassungslosigkeit gesorgt haben?
Ungefähre Lesedauer: 12 Minuten
Der G20-Gipfel in Hamburg dürfte zu den umstrittensten Gipfeln jemals gehört haben. Kritik gab es schon im Vorfeld genug, eine Großstadt sei ungeeignet, die örtliche Nähe zur linken Szene zu extrem, die engen Straßen und verwinkelten Gegenden seien nicht kontrollierbar.
Rund 31.000 Polizisten waren im Einsatz, viele von ihnen bis an ihre Belastungsgrenzen und auch darüber hinaus. 227 wurden mit Erschöpfungssymptomen oder Kreislaufversagen in Krankenhäusern oder vom Rettungsdienst vor Ort behandelt.
Vorgesetzte haben ganz offensichtlich versagt und sind ihrer Fürsorgepflicht nicht nachgekommen.
Kritiker wurden von den verantwortlichen Politikern nur belächelt
Kein verantwortlicher Politiker wollte die Kritik ernst nehmen, und doch sollten die Kritiker Recht behalten. Natürlich ist man hinterher immer schlauer, könnte man jetzt sagen. Und ebenso natürlich stimmt das auch. Nichtsdestotrotz gab es deutliche Alarmzeichen, die allesamt ignoriert wurden. Selbst aus Sicherheitskreisen gab es immer wieder Warnungen – vergebens.
Eine Großstadt, dazu noch eine so verwinkelte wie Hamburg, ist natürlich deutlich schwerer zu kontrollieren, als eine große Fläche. Anderseits kann der Rechtsstaat auch nicht vor ein paar gewaltbereiten Menschen in die Knie gehen. Aber die Warnungen der Kritiker komplett zu ignorieren ist – ganz offensichtlich – eine folgenschwere Fehleinschätzung gewesen.
„Wir richten ja auch jährlich den Hafengeburtstag aus“, „Es wird Leute geben, die sich am 9. Juli wundern werden, dass der Gipfel schon vorbei ist.“ und „Seien Sie unbesorgt: Wir können die Sicherheit garantieren.“ hat Olaf Scholz (SPD), der damalige Bürgermeister, vollmundig angekündigt.
Auch das waren bittere Fehleinschätzungen.
Weltkriegsähnliche Zustände
Die Bilder, die aus Hamburg um die ganze Welt gingen, hätten aus einem Kriegsfilm stammen können: Rauchwolken über der Stadt, brennende Autos, Polizeihubschrauber in der Luft, Polizisten, die sich mit Randalierern prügeln, Vermummte, die Schaufensterscheiben von Läden zerschlagen, diese Läden dann plündern und anschließend komplett zerlegen.
Stundenlang konnten Randalierer und Plünderer von der Polizei unbehelligt ganze Stadtteile in Schutt und Asche legen, die Kontrolle ist der Polizei, zumindest vorübergehend, komplett entglitten.
In einige Straßen sind Polizisten nachts nur noch mit Maschinengewehren vorgerückt. Allein der entstandene Sachschaden wurde auf mindestens eine Million Euro geschätzt.
Mit einer Demonstration hatte dieses Verhalten absolut nichts zu tun. Hier sind gewaltbereite Menschen aus vielen Ländern der Welt zusammengekommen und haben eine Stadt terrorisiert, die Existenzen vieler Hamburger zerstört und Autos von Anwohnern angezündet.
Jeder einzelne dieser Menschen gehört angeklagt und bestraft – ausnahmslos.
Andere Bilder hingegen zeigen friedliche, riesengroße Demos. Auch die Treffen, wegen derer der Gipfel überhaupt stattgefunden hat, werden gezeigt, „Shake Hands“ unter Politikern, ihrer Gefolgschaft und Vertretern der Wirtschaft.
Ganz andere Bilder zeigen wiederum, man kann es nicht anders nennen, blanke Polizeigewalt. Es gibt hunderte von Bildern und Videos, auf denen zu sehen ist, wie Polizisten, teilweise minutenlang, gemeinsam auf Personen einschlagen, eintreten und sie mit Schlagstöcken traktieren, während sie wehrlos, einige auch regungslos, am Boden liegen.
Die Polizisten wirken, als wären sie in einem absoluten Gewaltrausch. Auf einigen Videos ist zu sehen, wie Polizisten sogar umdrehen und zu Personen zurückkommen, die bereits am Boden liegen, nur, um noch mal auf sie einzutreten, und dann weitergehen.
Auch von diesen Polizisten gehört jeder einzelne angeklagt und bestraft. Das ist bisher jedoch in nicht einem einzigen Fall geschehen.
Polizeigewalt hat es nicht gegeben
Mit diesem legendären Satz wollte Olaf Scholz „seine“ Polizei damals in Schutz nehmen. Wie man nun weiß, war das eine absolute Realitätsverweigerung.
Polizeigewalt hat es nicht gegeben, das ist eine Denunziation, die ich entschieden zurückweise.
[…]
Ich will ausdrücklich sagen: Es gab sehr besonnene, sehr mutige, sehr schwierige Einsätze der Polizei. Und die Polizei hat wirklich alles getan, was möglich gewesen ist.
Olaf Scholz (SPD), damaliger Bürgermeister, in einem NDR-Interview
Zum Zeitpunkt dieses Interviews gab es allerdings schon 35 Anzeigen gegen Polizisten, sieben davon sogar von Amts wegen, also von der Polizei selber – ZEIT ONLINE hat kurz nach dem Gipfel entsprechend berichtet.
Mit dem zweiten Teil seiner Aussage hatte Scholz sicherlich auch Recht. Die Szenen, die man gesehen hat, spiegeln nicht das generelle Verhalten der Polizei wieder.
Es ist auch unbestritten, dass es genug „echte“ Demonstranten gab, die Polizeieinsätze ausgelöst haben. Etwaige Sitzblockaden, die die Polizei souverän und möglichst gewaltfrei aufgelöst hat: Demonstranten packen, wegtragen, fertig.
Dass es aber auch andere Szenen gab, haben die Verantwortlichen aus der Politik lange Zeit nicht wahrhaben wollen. Wahrscheinlich saß auch ihnen der Schock noch tief in den Knochen.
Dumm nur, dass Smartphones heute a…